Smartphone-Sucht: „Jomo“ ist gesünder als „Fomo“

Während der Arbeit, nach der Arbeit, an den Wochenenden und sogar im Urlaub ist unser Smartphone immer mit dabei. Wir haben Angst, etwas im Newsfeed zu verpassen, eine Nachricht nicht schnell genug lesen und beantworten zu können oder einen vermeintlich wichtigen Anruf zu versäumen. Und so liegt das Handy bei den Menschen nicht nur griffbereit, sondern darf sogar nachts auf dem Nachttisch schlummern oder beim Toilettengang mit dabei sein. Das Phänomen der heutigen Zeit, das längst nicht mehr nur junge Menschen betrifft, wird als „Fomo“ bezeichnet. Fomo steht für „Fear of missing out“, auf deutsch: Angst etwas zu verpassen.

Diese Entwicklung ist zunehmend beängstigend: Dieser Zwang, aus dem Glauben heraus eine soziale Interaktion verpassen zu können, zum Smartphone greifen zu müssen, hat in den letzten Jahren ungeahnte Dimensionen angenommen. Schüler sind abgelenkt von den Unterrichtsinhalten und vermeiden reale soziale Kontakte, Mütter vernachlässigen ihre Kindern, weil sie ständig am Handy tippen und Familien besprechen den Alltag schon lange nicht mehr bei der gemeinsamen Mahlzeit am Tisch. Wie auch, wo doch jeder auf sein Telefon starrt. Und Paare? Männer und Frauen sitzen sich schweigend gegenüber und bekunden ihre Liebe – mit dem Knutsch-Smiley über Whatsapp.

Die New York Times hat jetzt den Gegenpart zu Fomo – nämlich „Jomo“ – in die Öffentlichkeit gerückt. Das neue Wort, das als „Joy of missing out“ auf deutsch „Freude etwas zu verpassen“ heißt, ruft zur Achtsamkeit und zum Digital-Entzug auf. Der bewusste Umgang mit der Online-Präsenz soll den ständigen Gebrauch der Technik ablösen. So darf das Smartphone beim Offline-Treffen mit Freunden gern auch einmal in der Tasche verbleiben. Es kann auf den Flugmodus gestellt werden oder mal einen ganz Tag lang zu Hause liegen. Wer jetzt allein bei dem Gedanken daran schweißnasse Hände bekommt, sollte unbedingt über Jomo nachdenken.

Das Internet soll keinesfalls aus dem Alltag verbannt werden. Vielmehr soll den Smartphonesüchtigen bewusst werden, wie rasant das wahre Leben an ihnen vorbei rauscht und wie sehr sie es verpassen, wenn sie ihr Hirn nur in die Online-Welt halten. Ist es nicht egal, was die Heidi Klums und Cathy Hummels dieser Welt in dieser Saison für Mode tragen? Und muss ich wirklich wissen, wann und mit wem und wo mein Nachbar seinen Urlaub verbringt? Kann ich mein Essen nicht viel besser genießen, wenn ich es nicht zigmal vorher fotografiert und online gestellt habe? Ist Influencer tatsächlich ein Traumjob? Wäre es nicht viel schöner, sich mit dem eigenen Leben zu beschäftigen und die Zeit offline mit dem zu verbringen, was einem am Herzen liegt?

Die digitale Entgiftung erfordert eine große Portion an Willensstärke. Rückfälle sollten in Kauf genommen werden. Wer sich aber im zeitweisen Verzicht übt, kann ganz neue und lebenswerte Seiten in seinem Alltag entdecken.

Bild: zwiebackesser – fotolia.com

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